Kotti & Co erwartet Antworten: Pressemitteilung zum Bauausschuss

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Fünf Monate ist es her, seit Kotti & Co, gemeinsam mit Sozialmieter.de, im Abgeordnetenhaus eine Konferenz zum sozialen Wohnungsbau in Berlin veranstaltet hat. Am 10.4.2013 befasst sich der Bauausschuss nun endlich unserer Situation. Die Mieter/innen erwarten noch immer Antworten auf drängende Fragen:

1. Mietenkonzept:

Stadtentwicklungssenator Müller hatte im Dezember vollmundig ein neues Mietenkonzept angekündigt, dass sich weitestgehend als Luftnummer herausgestellt hat. Hierzu fragen wir:

  • Die Hälfte der Berliner Sozialmieter zahlt bereits mehr als 5,50€ Nettokaltmiete pro Quadratmeter. Das übersteigt die „zulässigen“ Mietkosten für Hartz IV-Bezieher um mindestens 60 Cent pro Quadratmeter. Wieviele Wohnungen genau zahlen derzeit mehr als 5,50€/qm? Wie sollen Arbeiter_innen im Niedriglohnsektor und transferleistungsbeziehende Mieter/innen diese Differenz bezahlen?
  • An der Realität in unserer Nachbarschaft gehen die Beschlüsse jedenfalls vorbei. Die Mieten von 6,-€/qm nettokalt führen bereits zu Verarmung und Zwangsumzugsdrohung. Wem genau soll das Mietenkonzept zugute kommen und wer soll wohin umziehen?
  • Wann legt der Stadtentwicklungssenat ein Konzept für die innerstädtischen Sozialwohnungen vor, das die jetzigen Mieter/innen in den Wohnungen hält, die vom Jobcenter akzeptierten Mietobergrenzen berücksichtigt?
  • Auf welche Weise will der Senat die Mieterhöhungsspirale stoppen, die jährlich 0,13€ von den Sozialmietern mehr verlangt, damit der Haushalt Berlins saniert wird?
  • Wie arbeiten Sozial- und Stadtentwicklungssenat in der Frage der Miethöhe im sozialen Wohnungsbau und Kosten der Unterkunft zusammen? Welche gemeinsamen Schritte werden von diesen Senaten unternommen, um die Anpassung der WAV nicht nur an den Mietspiegel zu gewährleisten, sondern auch an die jährlichen Mietsteigerungen im sozialen Wohnungsbau? Wie korrespondiert die tatsächliche Miethöhe nach dem Mietenkonzept und die übernommen Kosten der Unterkunft durch die Jobcenter?
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2. Neubau gegen Bestand?

  • Neubauförderung soll laut Senator Müller „aus Rückflüssen der Aufwandsentschädigungen alter Programme kommen“. Das bedeutet: die steigenden Mieten im Bestand des Sozialen Wohnungsbaus finanzieren den Neubau. Wird der Neubau durch die Mieterhöhungen im Bestand des sozialen Wohnungsbaus bezahlt? Wie wird so ein Modell  gegenüber den Bestandsmieter/innen gerechtfertigt, die deswegen ihre Wohnung aufgeben müssen?
  • Wie will der Stadtentwicklungssenat verhindern, dass die Mieten der Sozialmieter_innen v.a. für die Förderung privater Investor/innen anstatt für bezahlbaren Wohnraum genutzt werden?
  • Die Berliner/innen wollen in ihren Wohnungen bleiben, sind aber im sozialen Wohnungsbau von jährlichen Mieterhöhungen bedrängt. Die Neubauförderung kommt nicht ihnen sondern Neuberliner/innen zu gute. Wie will Senator Müller das den Berliner/innen im Bestand erklären?
  • Wie können Arbeitslose, Aufstockende und Geringverdienende, deren Miete nicht mehr als 4,91€/qm (gegenwärtige Obergrenze für Transferleistungsbezieher/innen) betragen darf, in ihren Sozialwohnungen bleiben?

3. Lösungen für Bestand

  • Berlin verliert derzeit massiv seine 150.000 bezahlbaren Sozialwohnungen durch die vorgeschriebenen Mieterhöhungen. Wie arbeitet der Senat gegen diesen Verlust der Wohnungen – vor allem den der 110.000 in privater Hand – an?
  • Welche Ideen werden diskutiert um langfristige Modelle für den Sozialen Wohnungsbau Bestand zum Erhalt der jetzigen Mischung zu entwickeln? (Eine Projektentwicklungsskizze liegt SenStadt seit 27.2.2013 vor, ohne dass der Vorschlag bearbeitet wird)
  • Voraussetzung zur Entwicklung tragfähiger Modelle sind Projektentwicklungsgelder. Wann ist mit der Bereitstellung dieser Mittel zu rechnen? In welcher Höhe werden Mittel zum Ankauf im Bestand des sozialen Wohnungsbaus, der zu einem großen Teil in privater Hand ist, bereitgestellt?
  • Gibt es Überlegungen, noch vorhandene Rückzahlungsansprüche (Aufwendungsdarlehen) der ehemals geförderten privaten Eigentümer in Anteile des Rückkaufs der Wohnungen zu überführen?
  • Die Idee des revolvierenden Fonds aus Salzburg wurde von Mieter/innen auf der Konferenz im November als Möglichkeit vorgestellt, um im Bestand anzukaufen – zu re-kommunalisieren. Ankauf ist billiger als Neubau. So kann der Wohnraum nachhaltig bezahlbar bleiben und ohne Profitabsicht vermietet werden. Wieweit ist die zugesagte Überprüfung dieses Vorschlags gediehen?

Insgesamt zeigen weder der Stadtentwicklungs-, noch der Sozialsenat den nötigen Mut, endlich die Lage der Mieter_innen, die noch nicht am sozialen Aufschwung Berlins teilhaben konnten, ehrlich zu Kenntnis zu nehmen und Maßnahmen zu ergreifen, die sofort notwendig sind, um das Schlimmste aufzuhalten. Wir erwarten, dass auf der Sitzung des Bauausschusses am 10.4.2013 die genannten Fragen beantwortet werden können und endlich der Wille zur politischen Gestaltung gezeigt wird, der notwendig ist um die 150.000 Sozialwohnungen dieser Stadt zu erhalten.

Mit Blick auf das Vorgehen des „Sozial“senats, der gegen die Anhebung der Sätze der WAV gar klagen will, sind wir skeptisch.

Wir werden weiter auf der Strasse für bezahlbare Sozialwohnungen protestieren, wie wir das bereits sei 11 Monaten am Kottbusser Tor tun. Wir grüßen alle Mieter_inneninitiativen, die für ihr Recht auf Stadt kämpfen.

Kotti & Co am 9. April 2013