Anhörung der Oppositionsparteien

Hier veröffentlichen wir unseren Antworten in der Anhörung zum sozialen Wohnungsbau der Oppositionsparteien Grüne, Linke und Piraten im Abgeordnetenhaus am 25.9.2012.

  • Wir – die meisten Anwesenden wissen das – stehen seit Mai ununterbrochen als Nachbarschaftsinitiative auf der Strasse um für unser Bleiben in der Innenstadt zu demonstrieren
  • In der Großsiedlung am Kottbusser Tor stellt sich die Situation in den privat bewirtschafteten Sozialwohnungen so dar, dass die Mieter, die dort seit 30 Jahren leben, die steigenden Mieten nur noch mit Mühe bezahlen können
  • Und mit Mühe heißt – das können sich viele von Ihnen womöglich nicht vorstellen – dass nach Abzug der Miete für viele noch 200,- im Monat zum Leben bleibt.
  • Viele meiner Nachbarn sparen wortwörtlich am Essen – um im Kiez bleiben zu können.
  • Besonders dramatisch wurde die Situation durch den Wegfall der Kappungsgrenze bei 5,35€ im letzten Jahr.
  • Wir wissen auch, dass diese Sondersubventionen an die Vermieter gehen, die ohnehin sehr hohe Gewinne mit unseren Häusern in der Vergangenheit machen durften.
  • Aber die Kappungsgrenze kam auch den Mietern zugute, bzw. hat sie die niedrigen Einkommensverhältnisse zumindest anerkannt.
  • Daran – an unseren Einkommen hat sich seitdem nichts geändert – es ist höchstens schwieriger geworden, da die Jobcenter fast flächendeckend Kostensenkungsaufforderungen an die Mieter verschicken.
  • Eigentlich müssten diese Aufforderungen an das Land Berlin gehen, denn dieses ist für die steigenden Mieten verantwortlich
  • Um einen Ausstieg aus dem Schlamassel des sozialen Wohnungsbaus – der auch den Mietern gerecht wird – zu erreichen, bereiten wir eine Konferenz vor.
  • Da wir die Arbeit machen, die die Politik vernachlässigt, fordern wir aber auch eine Leistung der Politik
  • Und zwar muss, bis nachhaltige Lösungen gefunden werden – die momentane Verelendung und Verdrängung der alteingesessenen Mieter der Innenstadt-Kieze DRINGEND mit einer spürbaren MIETSENKUNG aufgehalten werden.
  • Wir werden dem Senat nicht die Expertise liefern, während wir auf der Strasse sitzen und am Essen sparen!
  • Die Formel ist einfach: temporäre Mietsenkung sofort – um nachhaltige Lösungen zu erarbeiten

Zu Ihren Fragen zum Komplex Sozialer Wohnungsbau

  1. In welchem Umfang wird derzeit von Wohnungsunternehmen bereits Mietverzicht geübt und welchen Spielraum darüber hinaus sehen Sie angesichts der Tatsache, dass die Fördermieten vielerorts inzwischen sozial unverträglich hoch sind und systemimmanent weiter steigen werden?
    • am Kotti übt die GSW teilweise Mietverzicht, indem sie die Kappungsgrenze bei 5,35€ weiter fortsetzt. Dafür gibt es jedoch keinen Rechtsanspruch der Mieter.
    • Die Hermes-Hausverwaltung hat die Kappungsgrenze bereits letztes Jahr, trotz geltender Mietenkonzepte bereits überschritten.
    • Im Gespräch teilen uns beide HV mit, dass entweder Versuche einer Umschuldung direkt an den Senat weitergegeben werden müssten oder dass die Mieterhöhungen direkt auf die Forderung der IBB, die Aufwendungsdarlehen zu bedienen, zurück gehen.
    • Das heißt in unseren Augen: der Senat treibt die Mieten in die Höhe und die Wohnungsunternehmen können, selbst wenn sie wollten, nichts dagegen tun

    2. Welche Rolle können die heute noch ca. 110.000 Sozialwohnungen im privaten Besitz zukünftig für eine soziale Wohnraumversorgung in Berlin spielen?

    • Die Frage ist einfach: sollten die jetzigen Bedingungen bestehen bleiben – keine! In den Wohnungen können trotz millionenschwerer Förderung keine Sozialmieter mehr wohnen. Allein schon weil sie die Sätze der WAV überschreiten und für die niedrigen Löhne und Renten derjenigen, für die die Häuser mal subventioniert wurden, sowieso bereits zu hoch sind.

    3. Wie kann und soll die Mietentwicklung im Sozialen Wohnungsbau so beeinflusst werden, dass in Zukunft die Richtwerte der Wohnaufwendungenverordnung nicht regelmäßig überschritten werden?

    • Die Antwort auf diese Frage liegt bei der Politik. Wir können nur die Expertise liefern, dass es unter den Bedingungen des jetzigen Systems nicht möglich ist.
    • Hier muss entweder weiter subventioniert werden oder das Land sorgt dafür, dass die Wohnungen dem Kostenmietsystem entzogen und wieder kommunales Eigentum werden.

    4. Was leisten die landeseigenen Wohnungsunternehmen (und gff. Private), um nach dem Wegfall der Anschlussförderung den Betroffenen den Verbleib in der bisherigen Wohnung zu ermöglichen?

    • Frage geht wohl an Sebastian Jung

    5. Wie schätzen sie die bisherige Wirkungsweise des Wohnraumgesetzes ein? Welche inhaltlichen Anforderungen stellen Sie an eine 2013 in Aussicht stehende Novellierung des Gesetzes, insbesondere hinsichtlich der Einführung einer sozialen Richtsatzmiete?

    • Im Wohnraumgesetz sind die Rechte der Mieter, in ihren Wohnungen zu verbleiben, nicht verankert.
    • Es regelt eigentlich nur die Bedingungen des Ausstiegs aus der Belegungsbindung für die Vermieter.
    • Die in den Mietenkonzepten empfohlene langfristige Regelung für die so genannten „problematischen Großsiedlungen“ – also eine soziale Richtsatzmiete ist im Wohnraumgesetz einfach nicht enthalten!!!
    • In seiner derzeitigen Form und angesichts des angeblichen Sparzwangs in Berlin wird eine langfristige Verankerung einer Kappungsgrenze wohl nicht zu erwarten und auch nicht wünschenswert sein.
    • Eine vollständige Novellierung des Gesetzes muss daher erstens die Rechte der Mieter auf bezahlbaren Wohnraum im angestammten Kiez miteinbeziehen
    • Und in einem zweiten Schritt den Weg ebnen zur Rauslösung des Sozialen Wohnungsbaubestandes aus dem Kostenmietensystem.
    • Es muss Möglichkeiten für die Überführung des privaten Sozialen Wohnungsbaus in langfristige Modelle kommunalen Eigentums, bzw. Mietereigentums/Mieterverwaltung enthalten.

    6. Wie bewerten Sie die Möglichkeit, zur Erhöhung des Sozialwohnungsbestandes künftig Belegungs- und Mietpreisbindungen anzukaufen sowie eine neue Wohnraumförderung in Berlin aufzulegen?

    • Auch den Vermietern ist inzwischen klar, dass die Möglichkeit, die übertrieben hohen Kostenmieten zu verlangen, wohl utopisch ist.
    • Da die Forderungen des Landes Berlin auf Rückzahlung der Aufwandsdarlehen allerdings die Kostenmiete als Grundlage haben, werden weitere Insolvenzen folgen und dem Land Berlin diese erwarteten Einnahmen vermutlich ohnehin nicht zukommen.
    • Aus unserer Sicht ist es daher notwendig, rechtzeitig – und dieser Zeitpunkt ist jetzt gekommen, darüber nachzudenken, wie das Kostenmietsystem aufgelöst werden kann und die Bestände in kommunales Eigentum überführt werden können.
    • Der Zeitpunkt dafür ist jetzt der richtige, weil jetzt noch ein Großteil derjenigen in den Häusern wohnen, die für die Attraktivität der Kieze gesorgt haben und für die die Häuser gebaut wurden, anwesend ist. Doch die Verdrängung ist bereits in vollem Gange und diejenigen, die bereits an den Stadtrand verdrängt wurden, berichten von sozialer Einöde oder von Rassismus.
    • Die sozialen Folgekosten einer so großen Segregation – wie wir sie zu erwarten haben, falls hier nicht eingegriffen wird – sind also noch nicht abzuschätzen, allerdings vorhersehbar.

    Unser Plädoyer ist daher: kurzfristiges Aufhalten der Vertreibung um die Suche nach nachhaltigen Lösungen zu ermöglichen!