NKZ? Enteignen!

Erst kam die Schocknachricht, dass das Neue Kreuzberger Zentrum, der Sozialbauriegel auf der nördlichen Seite des Kottbusser Tors, an einen privaten Investor verkauft werden soll. Dann stand auf einmal das Vorkaufsrecht des Bezirkes als politische Lösung im Raum. Aber: geht das einfach so? Macht das überhaupt Sinn? Und ist es wirklich die beste Lösung für den Ausverkauf des Sozialen Wohnungsbaus? Aber von vorne:

Das NKZ ist ein Symbol für den Förder- und Abschreibungswahnsinn des Berliner Sozialen Wohnungsbaus – dem Bau- und Parteifilz der Westberliner Betonmafia. Wir reden hier also nicht nur über den „normalen“ Mietenwahnsinn durch die Profiterwartungen privater Immobilenunternehmer, sondern über ein lukratives Fördersystem welches durch ein komplexes Geflecht aus Privatwirtschaft, Regierung und Banken ermöglicht wurde. (siehe: Die Legende vom Sozialen Wohnungsbau)

Der größte Teil des NKZ gehört einer westdeutschen Kommandit-Gesellschaft (KG), bestehend aus etwa mehreren hundert Anteilseignern. Federführend für Geschäfte der KG ist der Beiratsvorsitzende der Kommanditgesellschaft, Peter Ackermann. Die Kommanditgesellschaft NKZ KG war 2003 schon einmal pleite und wurde damals von der städtischen Investitionsbank Berlin (IBB) mit einer Zahlung von 25 Mio. Euro gerettet. Insgesamt belaufen sich die Schulden der KB beim Land Berlin auf ca. 45 Mio Euro. Wurden diese Schulden getilgt?

Steht das ganze Neue Kreuzberger Zentrum zum Verkauf?

Nein, das tut es nicht, denn ein Teil, wenn auch der kleinere (an der Reichenberger Str.), ist schon 2013 von der GSW/Deutsche Wohnen an den Immobilienunternehmer Gijora Padovicz verkauft worden. Dieser ist in Berlin kein Unbekannter: er kauft systematisch Häuser auf und stand seit den 90ern des Öfteren im Fokus der Presse (z.B. TAZ) als auch der verschiedenen Mietervereinen (Mietermagazin / Mieterecho).

Was war passiert?

Vor etwa einem Jahr wurde bekannt, dass Padovicz angefangen hat, Anteile der Eigentümergesellschaft NKZ KG aufzukaufen. Einige aufmerksame Akteure rund um den Kotti haben daraufhin den Senat kontaktiert, mit der Aufforderung diese Übernahme zu verhindern und ebenfalls Anteile zu erwerben. Dieser Vorgang zog sich über Monate hin und am Ende stand statt einer Übernahme seitens des Landes Berlins ein Bieterverfahren (…). Der Abschluss des Bieterverfahrens war für Mai angesetzt. In diesem Zusammenhang tauchte dann „plötzlich“ ein dritter Bieter (nebst Padovicz und der GEWOBAG) auf, die Juwelus Investitions- und Beteiligungs GmbH & Co. KGm, was den Preis künstlich nach oben hat schießen lassen.

Und was wird jetzt an wen wann verkauft?

In einem Hauruck-Verfahren soll das NKZ jetzt in wenigen Tagen an den Höchstbietenden verkauft werden. Der Kaufvertrag ist bereits aufgesetzt. Der jetzige Eigentümer, die Kommanditgesellschaft, vertreten von Peter Ackermann, wird sich in den kommenden Tagen treffen um über den Verkauf abzustimmen. Am Donnerstag, den 20. April soll dann der Kaufvertrag unterschrieben werden. Der uns bekannte Kaufpreis liegt bei ca. 57 Mio Euro.

Über den Käufer ist wenig bekannt, das Wenige bereitet aber durchaus große Sorgen: Käufer ist die private Juwelus Investitions- und Beteiligungs GmbH & Co. KGm. Eine Tochterfirma, die Juwelus NKZ Projekt GmbH wurde erst vor wenigen Wochen  ins Berliner Handelsregister eingetragen. Diese wird von dem Anwalt Bernhard Hannemann (Neusäß bei Augsburg) geführt. MieterInnen im Neuen Kreuzberger Zentrum sind außerdem stutzig geworden als sie bei ihren Recherchen über Juwelus herausgefunden haben, dass die Firma im gleichen Haus wie die stadtbekannte Groth Gruppe am Kudamm sitzt. (siehe Mauerpark Affäre, SPD Parteispendenskandal / ehemaliger Stadtentwicklungsenator Geisel). Wir haben allen Grund bei solchen Informationen skeptisch zu werden: der Berliner Bau- und Korruptionssumpf rund um SPD und IBB ist seit Jahren bekannt (M.Rose), wenn auch noch lange nicht in Gänze aufgearbeitet. In jedem Fall ist hier deutlich geworden, dass der Kaufpreis künstlich hochgedrückt wurde. Man muss also fragen, wer hier wem welche Infos wann hat zukommen lassen und wer letztendlich von diesem extrem hohen Preis profitiert.

Was kann dann passieren?

Zur Zeit sind die Mieten für viele AltmieterInnen  im Neuen Kreuzberger Zentrum verhältnismäßig niedrig, – die meisten MieterInnen sind nicht besonders zahlungskräftig. Nach einem Verkauf würde es eine Nachbindungsfrist von 12 Jahren geben. Doch eine unmittelbare Gefahr von Mieterhöhungen besteht dennoch: Die Eigentümer könnten ihren Mietverzicht aufgeben, vergleichbar mit dem was just bei der DEGEWO Siedlung am Mariannenplatz geschehen ist. Hier besteht also überhaupt kein Grund zur Entwarnung. Von den 90 Gewerbeeinheiten und dem dort möglichen Verwertungspotential mal ganz zu schweigen. Kurz: wir haben schon genug ärger mit der Deutsche Wohnen, – nun brennt es auch auf der Nordseite des Kotti.

Kann man den Verkauf noch abwenden?

Der Bezirk kann vom Vorkaufsrecht Gebrauch machen. Die BVV, die darüber entscheidet, hat bereits ihr Interesse und auch der Senat hat Unterstützung signalisiert. Jahrzehnte haben sich die Berliner Regierungen weggeduckt, wenn es um die Rechte der SozialmieterInnen ging. Die Fehler der Vergangenheit dürfen nicht weiter auf den Rücken der MieterInnen ausgetragen werden. Alle nur denkbaren rechtlichen Mittel müssen konsequent angewandt werden. Durch das Ziehen des Vorkaufsrechts würde dann das Kaufverfahren erstmal ausgesetzt werden und der ganze Vorgang würde sich verzögern. Das begrüßen wir.

Dennoch ist das aus unserer Sicht nur eine  suboptimale Lösung. Es kann keine wirkliche politische Lösung sein, die spekulativen Kaufpreise der privaten Investoren zu erfüllen und mit öffentlichen Geldern auf diese überhöhten Forderungen einzugehen. Weder wir MieterInnen noch das Land sind eine Gelddruckmaschine für private Unternehmer.

Wir fragen:

  • ist das Bieterverfahren so überhaupt rechtlich korrekt? Wie kann es sein, dass das Land Berlin als größter Schuldner beim Verkauf nicht ein Wörtchen mitzureden hat? Werden alle möglichen Rechtsmittel eingelegt?
  • Wer steck hinter Juwelus? Was sind die Verbindungen zwischen der NKZ KG und dem dritten Bieter?
  • Wurden die Verflechtungen zwischen der NKZ KG und der IBB geprüft? Warum sind die Förderverträge noch nicht offengelegt?
  • Wurden alle Bedingungen seitens der NKZ KG eingehalten? Wie sind die Darlehen verzinst – etwa immer noch zu 0%??
  • Warum wird angesichts der Schulden nicht enteignet?

Den Ausverkauf stoppen!

Wir fordern den Bezirk als auch den Senat von Berlin auf wesentlich deutlicher gegenüber den Immobilienverwertern aufzutreten. Das kommunale Vorkaufsrecht kann nicht das Ende der Fahnenstande sein! Wir fordern die Justiz und die Öffentlichkeit auf den Verfilzungen zwischen Baumafia, Immobilenverwertern, der Verwaltung und IBB ein Ende zu bereiten.

Wir haben die Häuser des Sozialen Wohnungsbau mehrfach abgezahlt. Es reicht. Genug ist genug! Re-kommunalisierung des Kottis!

Kotti & Co / Mitte April 2017

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NKZ / Sozialer Wohnungsbau > zum Nachlesen & Verstehen:

M.Rose / Warten auf die Sintflut

Die Legende vom Sozialen Wohnungsbau

Nichts Läuft hier richtig!

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Fotos aus Die Legende vom Sozialen Wohnungsbau

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GRUNDGESETZ 

Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit 

Art. 14 … (2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen. (3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. …

Art. 15 Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Absatz 3 … entsprechend.

BERLINER VERFASSUNG 

Recht auf Wohnraum 

Artikel 28 (1) Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum. Das Land fördert die Schaffung und Erhaltung von angemessenem Wohnraum, insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen, sowie die Bildung von Wohnungseigentum. …

BAUGESETZBUCH (BAUGB) 

Zulässigkeit der Enteignung 

§ 85 Enteignungszweck 

(1) Nach diesem Gesetzbuch kann nur enteignet werden, um 1. entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans ein Grundstück zu nutzen oder eine solche Nutzung vorzubereiten,

2. unbebaute oder geringfügig bebaute Grundstücke, die nicht im Bereich eines Bebauungsplans, aber innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile liegen, insbesondere zur Schließung von Baulücken, entsprechend den baurechtlichen Vorschriften zu nutzen oder einer baulichen Nutzung zuzuführen, 3. Grundstücke für die Entschädigung in Land zu beschaffen, 4. durch Enteignung entzogene Rechte durch neue Rechte zu ersetzen, 5. Grundstücke einer baulichen Nutzung zuzuführen, wenn ein Eigentümer die Verpflichtung nach § 176 Abs. 1 oder 2 [Baugebot für Eigentümer] nicht erfüllt, 6. im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung eine bauliche Anlage aus den in § 172 Abs. 3 bis 5 [Erhaltungssatzung] bezeichneten Gründen zu erhalten oder 7. im Geltungsbereich einer Satzung zur Sicherung von Durchführungsmaßnahmen des Stadtumbaus eine bauliche Anlage aus den in § 171d Abs. 3 bezeichneten Gründen zu erhalten oder zu beseitigen.

(2) …

§ 86 Gegenstand der Enteignung 

(1) Durch Enteignung können 1. das Eigentum an Grundstücken entzogen oder belastet werden; 2. andere Rechte an Grundstücken entzogen oder belastet werden; 3. Rechte entzogen werden, die zum Erwerb, zum Besitz oder zur Nutzung von Grundstücken berechtigen oder die den Verpflichteten in der Benutzung von Grundstücken beschränken; hierzu zählen auch Rückübertragungsansprüche nach dem Vermögensgesetz; 4. soweit es in den Vorschriften dieses Teils vorgesehen ist, Rechtsverhältnisse begründet werden, die Rechte der in Nummer 3 bezeichneten Art gewähren.

(2) … (3) …

§ 87 Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Enteignung
(1) Die Enteignung ist im Einzelnen Fall nur zulässig, wenn das

Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann.
(2) Die Enteignung setzt voraus, dass der Antragsteller sich ernsthaft um den freihändigen Erwerb des zu enteignenden Grundstücks zu angemessenen Bedingungen, unter den Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 und 3 unter Angebot geeigneten anderen Landes, vergeblich bemüht hat. Der Antragsteller hat glaubhaft zu machen, dass das Grundstück innerhalb angemessener Frist zu dem vorgesehenen Zweck verwendet wird.

(3) Die Enteignung eines Grundstücks zu dem Zweck, es für die bauliche Nutzung vorzubereiten (§ 85 Abs.
1 Nr. 1) oder es der baulichen Nutzung zuzuführen (§ 85 Abs. 1 Nr. 2), darf nur zugunsten der Gemeinde oder eines öffentlichen Bedarfsoder Erschließungsträgers erfolgen. In den Fällen des § 85 Abs. 1 Nr. 5 kann die Enteignung eines Grundstücks zugunsten eines Bauwilligen verlangt werden, der in der Lage ist, die Baumaßnahmen innerhalb angemessener Frist durchzuführen, und sich hierzu verpflichtet. Soweit im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet die Enteignung zugunsten der Gemeinde zulässig ist, kann sie auch zugunsten eines Sanierungsträgers erfolgen.

(4) …

§ 88 Enteignung aus zwingenden städtebaulichen Gründen
Wird die Enteignung eines Grundstücks von der Gemeinde zu den in § 85 Abs. 1 Nr. 1 und 2 bezeichneten Zwecken aus zwingenden städtebaulichen Gründen beantragt, so genügt an Stelle des § 87 Abs. 2 der Nachweis, dass die Gemeinde sich ernsthaft um den freihändigen Erwerb dieses Grundstücks zu angemessenen Bedingungen vergeblich bemüht hat. Satz 1 ist entsprechend anzuwenden, wenn die Enteignung eines im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet gelegenen Grundstücks zugunsten der Gemeinde oder eines Sanierungsträgers beantragt wird.