Der lange Atem – Das Kotti & Co Protest- Gecekondu wird 3 Jahre alt!

Das Kotti & Co Protest- Gecekondu wird 3 Jahre alt!

kco_stickerAm 26.Mai 2012 haben wir am südlichen Kottbusser Tor im Schatten eines von uns organisierten Straßenfestes ein Protestcamp errichtet. Wir erklärten: „Kira cok yüksek – Die Miete ist zu hoch! – Wir bleiben bis das Problem mit dem Sozialen Wohnungsbau gelöst ist!“.

Seit dem ist viel passiert. Unser Protestcamp ist zu einem kleinen Haus, unserem Gecekondu, heran gewachsen. Wir haben an die 30 Lärm-Demonstrationen organisiert und zahlreiche Info- und Kulturveranstaltungen abgehalten; der Presse und Wissenschaftler*innen haben wir Hunderte von Interviews gegeben und vor allem haben wir Fachexpertise organisiert und sie uns angeeignet. Wir haben Broschüren zum Thema Sozialer Wohnungsbau und Mietenwahnsinn veröffentlicht; wir haben weiterhin Bezirk, Senat und Oppositionsparteien mit der Verdrängung von Sozialmieter*innen konfrontiert sowie den stadtentwicklungspolitischen Dialog auf allen Ebenen weiter geführt.

Kurzum: wir haben alles Erdenkliche getan, damit der Senat endlich handelt und seiner Verantwortung nachkommt, uns Sozialmieter*innen vor Verdrängung zu schützen.

Mittlerweile erkennt der Senat das Problem an, doch außer heißer Luft und etwas mehr an sozialer Rhetorik ist nichts Substantielles passiert.

Nun geht unser Protest ins vierte Jahr. Denn – noch immer ist die Miete zu hoch. Zu hoch für den kleinen Geldbeutel, zu hoch für das Jobcenter. Noch immer liegt die Miete im sozialen Wohnungsbau über dem Durchschnitt der Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt.

Weil die Regierungen der letzten Jahrzehnte den Eigentümern unserer Wohnungen großzügig Kredite für künstlich aufgeblähte Kosten genehmigt haben, steigen unsere Mieten jedes Jahr. Mit diesem Geld für Darlehen – das die Eigentümer mal erhalten haben und wir jetzt immer noch mit der Miete abbezahlen – rechnet die Berliner Regierung auch im kommenden Haushalt. 280 Millionen Euro aus den Mieten der Sozialmieter*innen hat Berlin letztes Jahr im Haushalt für ihre Projekte oder Schulden ausgegeben. Denn aus der Grundmiete von z.T. über 6€/qm erhalten Eigentümer 6,5% Eigenkapitalverzinsung und das Land Berlin die Rückzahlungen.

Aber auch mit den Betriebskosten von 4-6€/qm stimmt vieles nicht, wie wir als Nachbarschaft gemeinsam mit Anwälten in der Mietrechtsberatung von Kotti & Co herausgefunden haben!

wsxbImmer mehr Nachbarn bekommen von Jahr zu Jahr viel zu hohe Betriebskostenabrechnungen. Obwohl wir sparen wo wir können und die Heizung oft ausfällt, verlangt die GSW extrem hohe Nachzahlungen. So erhöht sich die Pauschale für Betriebskosten und damit mal wieder die Miete. Die zahlt das Jobcenter irgendwann nicht mehr. Statt Zwangsumzug oder Zwangsräumung wegen Mietschulden bleibt uns nur eine Möglichkeit: organisieren und protestieren.

Noch immer tut die Regierung nichts gegen diese Ungerechtigkeit, dass wir blechen müssen, statt der Eigentümer. Sie behauptet nach wie vor, dass sie nichts machen könne. Doch die Verantwortung für die Misere trägt die Politik. Wir haben nicht vergessen: Sie hat die größte städtische Wohnungsbaugesellschaft GSW privatisiert. Allein davon 1000 Wohnungen hat die GSW am Kotti. Das Unternehmen ist mittlerweile von der „Deutschen Wohnen“ übernommen worden. Ein Immobilienriese, der gerade erst mit einem Gerichtsverfahren den Berliner Mietspiegel anzweifelt, um noch mehr Miete verlangen zu können. (Die Presse berichtete).

Die selbe Immobilienaktiengesellschaft hat es geschafft, dass ihr Aktienwert sich innerhalb von einem Jahr verdoppelt! Kleine und mittelgroße Aktionäre glauben, sie gewinnen daran – doch das ist ein großer Irrtum: denn dafür wurde das Anlagevermögen aufgebläht und überbewertet, wie es der Geschäftsbericht der Deutschen Wohnen von 2014 zeigt. Sie zahlen ebenso wie die Mieter eines Tages durch die notwendige Abwertung des Anlagevermögens dafür, dass ein Verdrängungsmotor sondergleichen entsteht! Deutschen Wohnen und GSW benennen drei Geschäftsstrategien, die sich auf Bestandsmieter*innen bald noch schlimmer als bisher auswirken werden:

1) Modernisierung – hierfür wurden bereits Kredite in Höhe von 280 Millionen Euro für 17.000 Wohnungen aufgenommen! Das bedeutet Mieterhöhung und Verdrängung!

2) Verkauf – da der Wohnungsmarkt Berlin als besonders lukrativ und Core+-Region gilt, handelt es sich um sog. opportunistische Verkäufe, die sich spontan ergeben und gute Gewinne einbringen. So sind vor wenigen Wochen erst ca. 5.000 ehemalige GSW-Wohnungen sind in Spandau und Reinickendorf von der Deutschen Wohnen verkauft worden! Die GSW- Strukturen werden aufgelöst, selbst wenn das Unternehmen formal aufrecht erhalten bleibt.

3) Selbst das Bestandsmanagement versteht die Deutsche Wohnen als „Neuvermietung und Anpassung an die Potentiale des Berliner Mietmarktes“. Instandsetzung soll erst bei Neuvermietung der Wohnungen erfolgen, obwohl wir im sozialen Wohnungsbau alle drei Jahre eine Erhöhung der Instandhaltungspauschale zahlen müssen.

Auch wenn uns der Senat, GSW/Deutsche Wohnen und die Jobcenter das Leben schwer machen: wir lassen uns nicht klein kriegen!

Als Hilfe zur Selbsthilfe und um uns gemeinsam gegen die Verdrängung stark zu machen, haben wir vor 1,5 Jahren eine kostenlose Sozial- und Mietrechtsberatung bei uns am Kotti ins Leben gerufen. Diese wird stark in Anspruch genommen. Wir legen Widersprüche gegen die Betriebskostenabrechnungen ein und stellen Überprüfungsanträge an das Jobcenter, wenn es die volle Miete nicht mehr zahlen will. Wir recherchieren selbst, wie dieser Verdrängungsmotor funktioniert, wer davon profitiert und was wir dagegen machen können. Wir machen die Arbeit, vor der die verantwortlichen Politiker die Augen verschließen.

Es geht um unsere Existenz. Um unser Zuhause, um unsere Nachbarschaft. Das ist vielleicht der Regierung und einem Immobilienaktien-Unternehmen egal. Aber den von uns und vielen anderen nun gestarteten Mietenvolksentscheid kann keine Regierung ignorieren. Wir unterstützen den Volksentscheid, denn das Gesetz, das 2016 zur Abstimmung gestellt werden soll, korrigiert endlich, was die Politik seit Jahren falsch gemacht hat. Sie hat die Sozialmieter*innen mit immer höheren Mieten gequält, bis es nicht mehr ging.

Jetzt wird mit direkter Demokratie das Gesetz von der Straße ins Parlament gebracht. Die Frage der sozialen Wohnraumversorgung steht auf der Tagesordnung.

Wir lassen nicht locker und grüßen von Herzen alle Mitstreiter*innen!

In diesem Sinne – mit langem Atem – Kotti & Co im Mai 2015

Ps. Wir feinern ein kleines feines Fest am 30. Mai ab ca. 16Uhr

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