Stellungnahme Kotti & Co zum „Eckpunktepapier“ von SenSW für eine Neuregelung des Sozialen Wohnungsbaus
Die neue Berliner Regierung hat im Koalitionsvertrag verabredet die Mieten im alten Sozialen Wohnungsbau zu senken. Kernstück bei den geplanten Neuregelungen soll eine so genannte Richtsatzmiete sein (RiSaMi). Des Weiteren sind auch einige Sofortmaßnahmen geplant. Was diese genau beinhalten ist weder uns noch der Stadtgesellschaft bisher bekannt. Ein Vorschaltgesetz, so hören wir, ist schon auf den Weg gebracht …
Das Richtsatzmieten Unterfangen soll eines der Kernstücke eines Richtungswechsels in der Mieten- und Wohnraumversorgungspolitik der Rot-Rot-Grünen Regierung darstellen.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat dazu vor kurzem einen Gesetzesentwurf (bzw. Eckpunktepapier) erarbeitet (s.u.), der endlich für die Sozialmieten eine Neuregelung bringen soll. Aufbauend und zur Diskussion zu diesem Entwurf gab es am 20.1.2017 eine Sitzung in der Senatsverwaltung. Größtenteils waren hier die gleichen Personen und Interessensvertretungen eingeladen, wie auch schon beim „Expertengremium“ im letzten Jahr unter der SPD-CDU Regierung. (Mitarbeiter der Verwaltung, Lobbyisten der Eigentümer (BfW, BBU), Vertreter der Investitionsbank Berlin, externe Fachleute (…), sowie Mieterverein, Mieterstadt e.V., und auch wir).
In den kommenden Wochen wird der Entwurf durch die Senatsverwaltung, „unter Einbeziehung der Kritik“ überarbeitet werden und der Koalition zur Abstimmung gegeben.
Der zur Diskussion vorgelegte Entwurf löst die Probleme der hohen Mieten im Sozialen Wohnungsbau und der abschmelzenden Bindungen jedoch nicht. Ganz im Gegenteil: weil er so abgrundtief unsozial ist und auch in seiner Architektur problematisch ist, ist zu befürchten, das trotz Nachbesserungen am Ende ein fauler „Kompromiss“ stehen wird. Salopp gesprochen: wenn man bei minus 50 (Entwurf der Verwaltung) anfängt kann man nicht bei plus 50 (sozialer Richtungswechsel in der Mietenpolitik) enden.
Wir informieren hiermit die interessierte Stadtöffentlichkeit über den Stand der Dinge und die Senatsverwaltung von unserer Position zu ihrem Entwurf.
Um es plastisch zu machen illustrieren wir hier kurz mit 3 Beispielen was bei dem Entwurf herauskommen wird, wenn es nach dem Willen der Verwaltung geht.
Danach steht unsere detaillierte Kritik am Entwurf. Es folgen unsere roten Linien und ganz unten für die Hartgesottenen noch der Entwurf der Verwaltung und weitere Unterlagen zum Download.
Los geht´s:
Modellrechnungen für Personen die über 140% WBS liegen:
Eine Rentnerin, ihr Mann verstarb vor 4 Jahren, wohnt seit 22 Jahren in einer 89qm großen Sozialwohnung. Sie würde gerne in eine kleinere Wohnung ziehen, jedoch findest sie keine leistbare in dem Kiez, in dem sie seit 32 Jahren lebt. Sie bezieht eine Rente von 1500€. Dieses ist mehr als 140%WBS. d.h. nach der geplanten neuen Regelung, der sog. „einkommensabhängigen Richtsatzmiete” würde sich ihre Miete erhöhen: ihre bisherige Miete betrug 534,00 netto/kalt (6€/qm)- zuzüglich Betriebskosten von 3,15 pro/qm* (280,35) = eine Gesamtmiete von 814,35 Euro. Nach der geplanten Neuregelung würde sie dann 903,35 Euro zahlen. Einen Anspruch auf die Härtefallregelung hat sie nicht, da ihre Wohnfläche „zu groß” und ihre Rente „zu hoch” ist.
Ein junges Ehepaar wohnt seit 6 Jahren in einer 97qm großen 3 Zimmer Sozialwohnung. Er arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Berliner Universität und verdient monatlich 1500€. Sie arbeitet als freie Journalistin und hat ein durchschnittliches monatliches Einkommen von ca. 1300€. Ihre Wohnung kostet heute 630,50€ kalt und 1018,50 brutto warm (6,50€/qm kalt + 4/qm BK) (388,00 BK). Nach der neuen Regelung erhöht sich ihre Kaltmiete auf 679€ und die Warmmiete auf 1067€. Einen Anspruch auf die Härtefallregelung haben sie nicht, da ihre Wohnfläche „zu groß” und ihre Einkommen „zu hoch” ist. Sie müssen in Zukunft knapp 40% ihres Einkommens für die Miete aufwenden.
Ein Handwerker wohnt seit 14 Jahren in einer 65qm großen 2 Zimmer Sozialwohnung. Er arbeitet für eine Tischlerei die sich auf Fenstereinbau spezialisiert hat. Sein monatliches Netto-Einkommen beträgt 1600€. Seite monatliche Kaltmiete beträgt aktuell 422,50€ (6,5€/qm) zuzüglich der Betriebskosten von 3,7€/qm = 240,50€ beträgt seine Gesamtmiete monatlich 663€. Nach der neuen Regelung erhöht sich seine Kaltmiete auf 455€ und die Warmmiete auf 695,50€. Die geplante Härtefallregelung greift für ihn nicht und er muss in Zukunft knapp 44% seines Einkommens für die Miete aufwenden.
Anmerkung: die hier als Grundlage genommenen Betriebskosten sind sehr niedrig angesetzt. Alleine am Kotti und auch wie jetzt neue Zahlen bei der degewo (Mariannenplatz) zeigen, liegen die BK eher zwischen 5-6€! Die Grundlage der Berechnungen, die die Verwaltung genommen hat, sind in Zweifel zu ziehen.
Kritik an weiteren Punkten des Entwurfes:
- Miethöhen.
Der Vorschlag zieht Mieterhöhungen nach sich, statt Mietsenkungen. Diese können erst auf umfangreichen Antrag für bestimmte Einkommensgruppen erzielt werden. Aus der Erfahrung mit dem Mietzuschuss wissen wir, dass gerade diejenigen, die ihn brauchen, weil ihr Einkommen niedrig ist, nicht in der Lage sind, den Antrag zu stellen. Kotti & Co hat das Thema Sozialer Wohnungsbau auf die politische Agenda gesetzt, damit die Mieten im wahrsten Sinne des Wortes sinken und die Menschen in ihren Wohnungen wohnen bleiben können. Ein Antragsverfahren, welches darauf spekuliert, dass viele ihr Recht auf eine bezahlbare Miete nicht wahrnehmen können, lehnen wir ab!
Die Vorschläge zur Richtsatzmiete von Reiner Wild (BMV) waren hier wesentlich sinnvoller und es ist unverständlich, warum diese nicht geprüft wurden. Für die Bestimmung der Leistbarkeit der Mieten sollte ein Sozialforschungsinstitut herangezogen werden, denn eine angenommene Zumutbarkeit von 7€/qm Kaltmiete bei einem Einkommen von 1.400 € ist mehr als realitätsfern.
- Nettokalt vs. Bruttowarm.
Die Berechnungen zielen entgegen der Vereinbarung im Koalitionsvertrag auf Mieten, die 30% nettokalt des Einkommens verschlingen dürfen. Vom Kotti und der degewo wissen wir, dass die Betriebskosten doppelt so hoch sind, wie die Kaltmiete. Das Konzept erzielt also eine Bruttowarmmietbelastung von bis zu 60%, das ist keine Lösung. In dem Zusammenhang bezweifeln wir, dass die Datengrundlage an, auf der die Bestimmung der durchschnittlichen Betriebskosten von 3,15€/qm zustande kam. Eine vorgelegte Vermieterbefragung von Dezember/2015 war freiwillig. Geantwortet haben demnach nicht diejenigen mit besonders hohen Betriebskosten, was das Ergebnis verzerrt. Es haben zudem nur 53% der privaten Vermieter geantwortet. Dass also die Betriebskosten durchschnittlich bei 3,15 € liegen, bezweifeln wir, denn wir kennen Betriebskosten von 5-6€/qm!
- Reichweite.
Im Vorschlag ist keine Lösung für Objekte enthalten, für die bereits die Darlehen vorfristig und vollständig abgelöst wurden. Wir gehen von unserer Erfahrung in Kreuzberg davon aus, dass insbesondere für Wohnungen in Innenstadtlage, die auf dem Immobilienmarkt gut verwertbar sind, vorzeitig die Darlehen abgelöst werden.
Wir haben außerdem anhand des degewo-Falls am Mariannenplatz in Kreuzberg gesehen, dass sich auch die landeseigenen Wohnungsunternehmen fröhlich an dem Spiel der vorzeitigen Ablösungen beteiligen. Angesichts dieser Situation ist es ein Witz, dass bereits 2 Expertenkommissionen überlegt haben, wie man Bindungen erhalten kann, wenn das Land Berlin selbst seine eigenen Wohnungsunternehmen nicht im Griff hat. Wenn das Land noch nicht mal seinen eigenen Wohnungsunternehmen verbietet, sich aus den Bindungen zu lösen, wozu versucht dann die Verwaltung den Eigentümern neue teure Geschenke zu machen, damit nicht abgelöst wird? Die gesamte Neuregelung sieht nach Augenwischerei aus, die nur passiert, damit der eigentliche Skandal, der Verlust von Sozialbindungen, nicht sichtbar wird.
- Aufwendungen & Richtsatzmiete.
Das Verhältnis ist unzureichend dargestellt. Wenn man eine politische Richtsatzmiete einführt und den Eigentümern gleichzeitig einen gewissen Teil von Einnahmen erlauben möchte, muss dies auch dargestellt werden. Es ist davon auszugehen, dass bereits durch die Zinssenkung bei den Darlehen die Aufwendungen so drastisch reduziert werden, dass reale Aufwendungsmieten / Kostenmieten entstehen, die sogar unter den hier geplanten Richtsatzmieten liegen. Dadurch wird den Eigentümern eine Gewinnchance eröffnet. Wir fordern, dass die realen Aufwandsmieten erhoben und dargestellt werden und dann ins Verhältnis zu den Richtsatzmieten gestellt werden. Womöglich können die Mieten nämlich ohnehin sinken und es. Es gibt keinen Grund, warum die Richtsatzmieten höher liegen sollen, als die Aufwendungskosten.
- Datenlage.
Wir fordern die Senatsverwaltung auf, aussagekräftige Daten (zur Miete und der Mietentwicklung, den bestehenden Bindungsfristen, den tatsächlichen Aufwendungskosten und den bestehenden und künftigen Förderbeziehungen) vorlegen, die vorgeschlagenen Szenarien auf ihre Effekte zu prüfen und die zu erwartende Entwicklungen offenlegen.
Unsere Roten Linien sind:
1) Keine Miete darf steigen – im Gegenteil: die Mieten müssen sinken. Ohne Antragsverfahren. Jedes Antragsverfahren stellt für Mieter eine Hürde dar und zieht einen Verwaltungsaufwand (Kosten) nach sich. Die Erfahrungen mit dem aktuellen Mietzuschuss belegen das.
2) Die Belastungsgrenzen nach WBS muss von einem Sozialforschungsinstitut überprüft werden, bevor sie weiterhin als Grundlage gelten. Sie sind 2002 das letzte Mal festgelegt worden und entsprechen nach der Inflation der letzten 15 Jahre nicht mehr einer Belastbarkeit der Haushalte.
3) Eine Regelung für die Mieter der vorzeitig abgelösten Objekte muss gefunden werden (betrifft vermutlich vor allem gut verwertbare Innenstadtbestände).
4) Keine Flächenbegrenzung bei den Richtsatzmieten
5) Betriebskosten – so sie über den Durchschnitt von 3,15€ liegen – müssen überprüft und gesenkt werden.
6) Eine Koppelung an den Miet(erhöhungs)spiegel durch OVM lehnen wir ab.
Soweit für Heute – Mehr dazu bald an dieser Stelle …
Kotti & Co / Ende Februar 2017
Downloads:(PDFs):
SenSW_Anlage -Eckpunkte SozBau 2017
SenSW_Anlage -Übersicht Mietbelastung-Text
SenSW_Anlage -Übersicht Mietbelastung-Tabellen
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[…] Der rot-rot-grüne Senat hat sich vorgenommen, den alten Sozialen Wohnungsbau neu zu regeln und die Sozialmieten zu senken. Der Entwurf der Senatsverwaltung löst jedoch nicht unser Problem mit den Mieten, sondern bedeutet für viele Mieterhöhungen und für alle ein ko…. […]