Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat am 27.08.2013 eine etwas mysteriöse Pressemitteilung herausgegeben. Es wird ein Programm erwähnt, das den „sozialen Zusammenhalt“ in Großsiedlungen „verbessern“ möchte.
Und zwar durch genau vier Maßnahmen, die wiederum das Mysteriöse dieser Nachricht ausmachen:
- die Sozialwohnungen sollen auch an Besserverdienende vermietet werden – im Amtsdeutsch „Weiterführung der Befreiung von Belegungsbindungen“
- Sicherung des sozialen Zusammenhalts
- Stärkung der Integration
- Verbesserung des Bildungsniveaus
Es bleibt bisher das Geheimnis der Senatsverwaltung, wie die Lockerung der Belegungsbindung und der Zuzug von reicheren Mieterinnen und Mietern mit der Verbesserung des sozialen Zusammenhalts zusammenhängen sollen. Statt die wenigen Wohnungen, auf deren Mietpreis der Senat Einfluss hat, für die Menschen zu sichern, die mit dem Immobilienboom nicht mithalten können, wird die Gentrifizierung hier von oben weiter betrieben. Statt die Belegungsbindung angesichts der schlechten Versorgungslage für Gering-Verdienende wieder einzuführen, füllt der Senat die Großsiedlungen mit Menschen mit besserem Einkommen um hinterher sagen zu können – da wohnt ja niemand mehr, der besonders unterstützt werden muss.
Die Belegungsbindungen sollten gerade wegen der schlechten Wohnungslage für Geringverdienende wieder eingeführt werden!!!!
Alle gebundenen Wohnungen müssen gehalten werden und nicht verschleudert. Die drohende Übernahme der GSW durch die Deutsche Wohnen zeigt ja, wie mit ehemals öffentlich geförderten Wohnungen nun die Finanzmärkte glücklich werden.
Statt hier einzugreifen, lockert der Senat die Bindungen und fördert die Besserverdienenden. Diese Verdrängung nennt der Senat „Verbesserung des Sozialgefüges“.
Was genau stellen sich die Verwaltungsleute hier unter einer „Verbesserung des Sozialgefüges“ vor? Woher nehmen sie die Gewissheit, dass reichere Leute das Sozialgefüge verbessern? Wir erleben in unseren Häusern eher, dass die Reicheren oder die Studenten-WG’s sich weniger engagieren und vielmehr ihren eigenen Interessen nachgehen. Welche Maßnahmen werden also mit diesem mysteriösen Plan ergriffen, um die neu Hinzugezogenen, die ein höheres Einkommen haben, in den sozialen Zusammenhalt zu integrieren? Ist das Sozialgefüge schlecht, weil wir arm sind? Sind arme Menschen ein schlechtes Sozialgefüge?
Welche Maßnahmen sollen den sozialen Zusammenhang sichern, angesichts der drohenden Verdrängung durch Mietsteigerungen?
Was hat das Bildungsniveau mit den Problemen in den Großsiedlungen zu tun die, wie wir von Kotti & Co bereits seit zwei Jahren anmahnen, in der Bedrohung durch Wohnraumverlust liegen?
Was wir momentan in am Kottbusser Tor (Großsiedlung Wassertorplatz) beobachten, ist, dass mit oder ohne Bildung die Menschen ihre Miete kaum noch bezahlen können. Wer keinen gut bezahlten Job hat (auch mit Universitätsabschluss) spart an allem, nur um die Miete bezahlen zu können. Wir klammern uns an unseren Bezirk, weil wir wissen, dass es an vielen vielleicht noch preiswerteren Orten nicht lebenswert ist (wie wir an den rassistischen Mobs in Hellersdorf ja aktuell wieder sehen). Es findet gerade hier in Kreuzberg eine massive Desintegration statt! Der soziale Zusammenhalt, den viele hier mühsam aufgebaut haben, wird durch die steigenden Mieten im sozialen Wohnungsbau, für die die Senatsverwaltung verantwortlich ist, bedroht. Da nützen keine Programme für Bildung etwas, sondern nur eine Senkung der Mieten und eine Rekommunalisierung der Häuser und eine Selbstverwaltung der Mieter.
Nachtrag: Der Senat hat am 1.10.2013 beschlossen, die Belegungsbindungen in den subventionierten Großsiedlungen weiter aufzuheben. Es können also weiterhin Gutverdienende einziehen und in den ‚Genuss‘ der subventionierten Mieten kommen. auch der Rat der Bürgermeister hatte nichts dagegen einzuwenden – bis auf Kreuzberg.
13-08_Maßnahmenprogramm Großsiedlungen 2014-Anlage SenV_August 2013 13-08_Maßnahmenprogramm Großsiedlungen 2014-SenV_Anlage_August 2013 Sozialer Zusammenhalt in Großsiedlungen wichtig – Senat beschließt Programm für 2014 – Berlin.de
In einer Antwort auf eine kleine Anfrage von Katrin Lompscher, wohnungspolitische Sprecherin der Partei Die Linke, erklärt der Senat, warum die Aufhebung der Belegungsbindungen die „soziale Mischung verbessert“.