– Ein bisschen SPAS muss sein? … oder „Sie erschiessen uns und wir sollen auch noch lächeln.“
Der Staatssekretär für Stadtentwicklung Ephraim Gothe hat am Dienstag gegen 19 Uhr unserem Protest-Gecekondu einen Besuch abgestattet. Nach 3 Wochen war dieses die erste sichtbare Reaktion aus dem Senat auf unseren Dauerprotest. Im Schlepptau waren neben 2 MitarbeiterInnen noch Herr Björn Eggert (SPD Kreuzberg) , inklusive Lastenrad und Kaffeemaschine (…).
Der Sinn und Zweck dieses Besuches hat sich uns während des Gespräches jedoch nicht wirklich vermittelt.
Herr Gothe gab sich gewohnt offen und ließ sich nun schon zum drittem Mal auf eine relativ offene Diskussion mit uns ein. (U.a.: Abgeordnetenhaus Veranstaltung und einem Termin am Freitag letzer Woche in der Senatsverwaltung – beides mit der Dossier-Mieter Gruppe)
Wir hofften auf eine spannende Auseinandersetzung mit unseren Forderungen, wurden aber leider entäuscht. Sein mehrfach proklamiertes „Herz für Mieter“ scheint nicht mehr als ein Wunschdenken seinerseits zu sein.
Wir mussten zu wiederholten Male feststellen, dass er weder unser Forderungen, noch unseren offenen Brief an Senator Müller gelesen hatte. Wir verstehen ja, dass ein Staatsekretär einen vollen Terminkalender und viele Baustellen hat. Respektlos finden wir diesen Vorgang jedoch schon. Wie soll man Lösungen finden, wenn die Gegenseite nicht weiss, worum es eigentlich geht???
Erschreckend ist vor allem, (wieder einmal) seine Unwissenheit von der wohnungspolitische Materie zu erleben. So wollte er uns protestierenden Mieter/innen von Kotti & Co allen Ernstes die öffentlich geförderte Mieterberatung und Wohnungsvermittlung der AG SPAS als Lösung für die gravierenden Probleme am Kotti verkaufen! Er zitierte ein paar Zahlen aus einem Bericht der bisherigen Beratungsaktivitäten (ca. 1.000 Beratungsfälle, 60 vermittelte Umsatzwohnungen und 40 noch ungelöste Fälle) und stellte die Kosten der AG SPAS den geschätzten Ausgaben für eine Mietobergrenze gegenüber (Diesmal wurden Zahlen von 44 Mio. bis 1 Mrd. Euro benannt).
Abgesehen davon, dass wir und unsere Nachbarn ja gar nicht „umgesetzt“ werden wollen, hatHerr Gothe hier wieder einmal die Problematik des Sozialen Wohnungsbaus mit den aus der Förderung gefallenen Häuser verwechselt! Die AG Spas wurde eigens für die Häuser beauftragt, die vom Ausstieg aus der Anschlussförderung betroffen waren. Das betraf bisher etwa 15.000 Wohnungen – hochgerechnet auf alle 150.000 Sozialwohnungen stellen sich die Fragen:
- a) ob die AG SPAS auch 10.000 Beratungen durchführen kann
- b) wie hoch die angeblichen Beratungskosten dafür wären,
- c) ob die Wohnungsbaugesellschaften auch 400 preiswerte Wohnungen auf einmal anbieten können (wo es ja offensichtlich schon Probleme bei der Lösung von 100 Fällen gibt)
(Weitere Informationen zu AG SPAS hier – und hier)
Auf die Forderung der Mietobergrenze (Kappungsgrenze) reagierte er ausweichend und auf die hohen Kosten verweisend. Auch dieses ist mehr als unbefriedigend, als dass wir die Kostenfrage schon lange selbst u.a. in unserem offenen Brief an Senator Müller thematisieren. Auch auf die Frage der sozialen Folgekosten dieser verfehlten Politik im sozialen Wohnungsbau reagierte er ausweichend.
Die von Kotti & Co geforderte Konferenz sei für ihn eine gute Idee (auch wenn er sie auf einen Tag beschränken möchte, damit die Entscheidungsträger dabei sein können). Es schlug desweiteren vor das auch die Oppositionsparteien und Mietervereine in die Konferenz einbezogen werden sollten. Außer Herrn Gothe ist dies schon seit Wochen den meisten Interessierten aus unseren Forderungen bekannt: “ Organisieren Sie (unter Mithilfe der Oppositionsparteien) für Herbst 2012 eine Arbeitskonferenz zum Berliner sozialen Wohnungsbau und laden sie dazu Expert_innen aus Miet- und Stadtpolitik, Mieter_inneninitiativen, Expert_innen aus Wissenschaft, Recht und Wirtschaft dazu ein; mit dem Ziel eine Sozialmieter_innenfreundliche und nachhaltige Lösung zu finden.“
Zu guter letzt sei noch erwähnt dass Herr Gothe zu wiederholten Male seine Sympathie für uns bekundete: „Ich finde es toll das Sie sich für das Kottbusser Tor engagieren – eine Ort wo vor kurzem noch niemand hinziehen wollte“ – Herr Gothe, zur Erinnerung: genau das sagten Sie uns schon vor einem halben Jahr. Wenn Sie nun heute im gleichen Atemzug von Umzugshilfen für uns Mieter am Kotti reden ist dieses doch wirklich schon zynisch.
Einen „Grüßonkel für die Mieterinitiativen“ brauchen wir nicht. Wir brauchen ein Gegenüber, der was von der Materie versteht und seine Hausaufgaben macht. Wir hoffen, dass Herr Gothe im heutigen Gespräch mit seinem Vorgesetzen, dem Senator Müller, etwas mehr von unserem Protest vermitteln kann als gestern vor Ort. Und wir hoffen das Herr Müller nun bald etwas fundierter – ohne den Einsatz von Nebelkerzen AG SPAS oder „Da müssten wir richtig viel Geld in die Hand nehmen“ – seine Lösungsvorschäge präsentiert.
Alles in allem also leider ein enttäuschendes Treffen. Ein Mitstreiter von uns fasste es schon wärend des Treffens treffend zusammen: „AG SPAS bedeutet doch: Sie erschiessen uns und wir sollen auch noch lächeln.“
Wir als Mieter-Initiative bereiten uns auf ein produktives nächstes Treffen vor und erwarten von Herrn Gothe und Herrn Müller dasselbe.
kotti & co
Die Mietergemeinschaft am Kottbusser Tor