Wir wollen unsere Häuser zurück

wwuhz_plakatNicht erst seit dem langen Sommer der Migration 2015 wird die Wohnungsfrage immer lauter gestellt. Die stadtpolitischen Bewegungen fordern für Menschen mit niedrigen Einkommen die fehlenden Wohnungen seit Jahren vehement ein. Auch Forschungsinstitute haben inzwischen einen bundesweiten Bedarf an 4 Millionen zusätzlichen Wohnungen festgestellt.

Die große Frage ist nun, welche Forderungen angesichts der Lage gestellt werden müssen, und womit wir als außerparlamentarische Bewegung Druck aufbauen, um die Wohnraumversorgung durchzusetzen.

Für zentral halten wir, dass die Versorgung mit Wohnraum für alle Teile der Bevölkerung als soziale und staatliche Gemeinschaftsaufgabe (im juristischen Begriff als Teil der  Daseinsvorsorge) umgesetzt werden muss, ähnlich der Versorgung mit Bildung, Wasser, Strom, usw..

Um dies zu erreichen braucht es insbesondere in den Ballungszentren einen bedeutenden Teil (mindestens die Hälfte) der Mietwohnungen in öffentlichem / kommunalen Besitz. Im Zuge der neoliberalen Politik der vergangenen Jahrzehnte wurden jedoch kommunale Wohnungsunternehmen zu Schleuderpreisen privatisiert und zudem noch die Gemeinnützigkeits-vorschriften für Wohnbaugesellschaften abgeschafft. Profitorientierung, Privatisierung der Bestände und fehlender gemeinwohlorientierter kommunaler Neubau haben nicht nur Berlin in eine Wohnungs-krise gebracht.

Angesichts dieses Notstandes wollen wir über Enteignung sprechen. Denn der Wohnungsnotstand und das übergeordnete soziale Interesse begründen auch Enteignungen von Immobilien, um die soziale Wohnraum-versorgung zu gewährleisten. Dieser Notstand ist in über 300 Kommunen in der Bundesrepublik, darunter auch in Berlin, anerkannter Handlungsgrund, um die flächen-deckende Anwendung der Mietpreisbremse umzusetzen.

Durch Enteignungen großer profitorientierter Wohnungsunternehmen können genügend Wohnungen bzw. entsprechende Belegungsbindungen auf Dauer für eine soziale Wohnraumversorgung gesichert werden.

Für Berlin müssen konkret zwei katastrophale Fehler korrigiert werden, um eine soziale Wohnraumversorgung zu gewährleisten: Der erste Fehler ist der Verkauf von Tausenden öffentlichen Wohnungen und insbesondere die Privatisierung des größten Berliner Wohnungsunternehmens GSW. Der zweite Fehler ist, dass Milliarden von öffentlichen Fördergeldern für „Sozialen Wohnungsbau“ an private, profitorientierte Investoren geflossen sind. Um diese Fehler zu korrigieren, bedarf es in Berlin dringend eines Politikwechsels.

Zum Einem sind die noch vorhandenen Sozialwohnungen in den Bestand von öffentlichen Wohnungsbau-Unternehmen zu überführen – zu (re-)kommunalisieren. Gleichzeitig müssen diese Unter-nehmen dabei grundlegend umstrukturiert, demokratisiert und gemeinwohlwohlorientiert ausgerichtet werden.

Aufgrund des übergeordneten Interesses der allgemeinen Daseinsvorsorge ist mittels des Baugesetzbuches eine Enteignung von Wohnungen und Häusern aus dem privaten Besitz sinnvoll und möglich. Das ist in anderen Bereichen schon gängige Praxis. Ein aktuelles Beispiel aus Berlin sind die Enteignungen in Treptow zugunsten des Weiterbaus der Autobahn A 100. Ähnlich wie bei einem Autobahnbau Felder enteignet werden können und die Eigentümer der Grundstücke eine entsprechende Entschädigung auf Grundlage des Verkehrswerts erhalten, ist dies auch bei Häusern und Wohnungen umsetzbar.

Zum Zweiten ist mit finanzpolitisch nachhaltigen Fördersystemen der Neubau von Wohnungen durch die kommunalen Wohnungsbauunternehmen im Gegenzug zu unbefristeten Belegungsbindungen zu unterstützen. Künftig muss gelten: Einmal öffentlich gefördert – immer öffentlich gebunden!

Zusätzlich sind alle gemeinnützigen und gemeinwohlorientierten Modelle zu unterstützen, bei denen im Kern die Verfügungsgewalt der einzelnen Mieter*innen über ihre Wohnungen steht und nicht das Investieren von Kapital, um damit Profite zu erwirtschaften. Modelle wie das Mietshäuser–Syndikat oder Genossenschaften brauchen noch großmaßstäbliche und zeitgemäße Ergänzungen. Dafür können wir aus der reichen Berliner Geschichte lernen. Ein Beispiel wäre die Selbsthilfe in der Hausbesetzer*innen-Bewegung der 1980er und 1990er Jahre. Auch sind bei allen kommunalen Wohnungsbaugesellschaften neue Formen der Beteiligung der Mieter*innen einzuführen, die Ansätze der Selbstverwaltung ermöglichen. Diese senkt außerdem die Bewirtschaftungskosten und somit die Mieten.

Diese Pläne setzen Milliarden-Summen als Kapital voraus. Doch woher sollen Berlin und andere Städte diese Gelder nehmen?

wwuhz_plakataAuch hier können wir aus der Geschichte lernen: Wir denken da an eine Art „Haus-Zins-Steuer“ auf den Mehrfachbesitz von Wohnungen. Mit solch einer Steuer wurden in den 1920er Jahren in Berlin und Wien die enormen Gewinne der Immobilien-Wirtschaft abgeschöpft und zweckgebunden zur Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus verwendet. Ebenso denken wir an eine differenzierte Grunderwerbssteuer, die zwischen dem Erwerb eines Eigenheims und dem Kauf von Wohnungen als Investition unterscheidet. Wie diese Steuern genau ausgestaltet und umgesetzt werden können, sollte Gegenstand der aktuellen politischen Debatten werden.

Im Augenblick wird von der Bundesregierung und dem Berliner Senat jedoch genau das Gegenteil praktiziert. Durch Steuerabschreibungen und kurzfristige Förderprogramme soll der private Wohnungsbau angekurbelt werden. Doch allein die Steuerausfälle in Höhe von etwa 4 Milliarden Euro befinden sich am Ende wieder in den Taschen derjenigen, die bereits genügend Geld haben, um überhaupt Steuern abschreiben zu können und nicht in den Taschen der Menschen mit geringem Einkommen. Anders gesagt: es ist eine kontinuierliche Aneignung öffentlichen Vermögens durch private Unternehmen, eine Umverteilung von Steuergeldern in die Hände weniger – gesetzlich legitimiert durch die regierenden Parteien.

Wir stellen dagegen: Eine für das Gemeinwohl notwendige Enteignung für die Sicherung der sozialen Wohnraumversorgung.

Konkret für Berlin muss also der Senat gezwungen werden, die Bestände der ehemaligen GSW durch Enteignung oder Rückkauf zu (re-)kommunalisieren. So kann auch verhindert werden, dass mit der Deutsche Wohnen AG (der aktuelle Eigentümer der GSW-Bestände) ein Monopolist auf dem Miet-Wohnungsmarkt entsteht. Auch die sich in den Händen von anderen privaten Eigentümern befindenden und mit Milliarden von öffentlichen Geldern gebauten Häuser des Sozialen Wohnungsbaus sollen in den Bestand der kommunalen Wohnungsbauunternehmen überführt werden.

In den kommenden Monaten wollen wir mit Interessierten gemeinsam überlegen und diskutieren, welche Schritte notwendig sind:

  • damit der Mietshäuserbesitz größerer Immobilienunternehmen und alle öffentlich geförderten bzw. früher geförderten Sozialwohnungen (re-)kommunalisiert werden.
  • damit Neubau entsteht, der gemeinwohlorientiert und dauerhaft gebunden bleibt.
  • damit eine umverteilende Finanzierungsgrundlage von Oben nach Unten für soziale Wohnraumversorgung geschaffen wird.

Wir wollen unsere Häuser zurück. Wohnraum darf keine Ware sein.

Kotti & Co Rekomm AG & Friends 

Download – PDF (Titel, Text, Plakat und Gesetzesauszüge)

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This article has 4 comments

  1. […] Sehr schön Zusammengefasst. Vieles deckt sich unserer Kritik. (Siehe dazu auch unseren letzten Beitrag ” Wir wollen unsere Häuser zurück“) […]

  2. […] Das „Berliner Modell“ ist eine Reaktion auf den Entwurf des Senats. Er verbessert an vielen Stellen dessen großen Probleme. Aber für uns steht bereits fest: Unser Problem wird auch dadurch nicht grundsätzlich gelöst werden. Eine sichere Zukunft in unseren Häusern ist nur möglich, wenn sie (re-)kommunalisiert werden und wir selbst mitbestimmen können, was damit geschieht. Das Land Berlin und wir haben schon vielfach die Häuser abbezahlt. Es wird Zeit, dass sie enteignet werden und endlich uns gehören. […]

  3. […] haben die Häuser des Sozialen Wohnungsbau mehrfach abgezahlt. Es reicht. Genug ist genug! Re-kommunalisierung des […]

  4. […] mit unserer Miete haben wir die Wohnungen schon mehrfach abgezahlt. DW hat schon an der GSW und den Sozialwohnungen verdient und kann und will offensichtlich nicht […]