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Offener Brief Berlin, 14.Juni 2016
Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister Müller,
sehr geehrter Herr Senator Geisel,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete der SPD und der CDU,
in Berlin steigen die Mieten und es fehlen preiswerte Wohnungen. Der Mietenvolksentscheid hatte vor einem knappen Jahr in der ersten Stufe einen deutlichen Erfolg. Das war ein Ausdruck des breiten gesellschaftlichen Willens, das Mietenproblem in Berlin anzugehen und in den Griff zu bekommen. Senat und Koalition signalisierten Gesprächsbereitschaft und führten Verhandlungen mit den Initiator/innen, die im Wohnraumversorgungsgesetz ihren Niederschlag fanden. Das war ein erster Schritt, dem weitere folgen müssen.
Im Wohnraumversorgungsgesetz ist in Bezug auf die Sozialwohnungen ein Mietzuschuss für einkommensarme Haushalte geregelt, eine Lösung für die Begrenzung überdurchschnittlich hoher Sozialmieten steht aus. Dieses Problem sah auch die Koalition und hat eine ergänzende Entschließung formuliert. Zur Umsetzung des zeitgleich mit dem Wohnraumversorgungsgesetz beschlossenen Abgeordnetenhaus-Entschließungsantrags vom 12.11.2015 „Nachhaltige Begrenzung der Sozialmieten und Sicherung von Belegungsbindungen“ (Drucksache 17/2551) sind eine Expertenrunde und eine Fachkommission zur „Reform des Sozialen Wohnungsbaus“ eingesetzt worden. Die Grundlage für die konkrete Vorgehensweise war ein von allen Fraktionen ausgehandeltes Eckpunktepapier.
Die Fachkommission hat bisher zweimal, zuletzt am 11. Mai 2016 getagt. Die dort vorgestellten Vorschläge für Sofortmaßnahmen sind teilweise kontrovers diskutiert und noch nicht beschlossen worden. Ein Termin für die nächste Sitzung der Fachkommission ist offen. Die Umsetzung von finanzwirksamen Sofortmaßnahmen erfordert die Zustimmung des Abgeordnetenhauses und muss daher vom Senat rechtzeitig dem Hauptausschuss vorgelegt werden.
Wir wollen schnelle und nachhaltige Entscheidungen zugunsten der Sozialmieter/innen und wählen deshalb diesen Weg, um unser Votum zu den vorgeschlagenen Sofortmaßnahmen und dem weiteren Vorgehen der Fachkommission abzugeben.
Sofortmaßnahmen:
- Die vorgeschlagene Zinssenkung für die Aufwendungsdarlehen, die zu direkten Mietsenkungen führen könnte (wenn die IST-Miete nicht wesentlicher niedriger ist als die Verpflichtungsmiete), begrüßen wir und schlagen vor, dass sie mit einer Verpflichtung verbunden wird, auch im Fall einer vorzeitigen Ablösung dieser verbilligten Darlehen die vertraglich vereinbarte Bindungsfrist einzuhalten.
- Die vorgeschlagene Neujustierung zwischen Verzinsung und Tilgung (um eine zu starke Mietsenkung zu vermeiden) sehen wir Die damit einhergehende Verkürzung von Bindungsfristen lehnen wir ebenso ab wie die „schleichende“ Festlegung einer Mietuntergrenze von 6,00 €.
- Das vorgeschlagene Erneuerungsdarlehen – anstelle einer Mietsenkung – wurde kontrovers diskutiert und ist als Sofortmaßnahme ungeeignet. Die durch eine Zinsverbilligung entstehenden Einsparungen müssen zumindest teilweise den Mieter/innen zu Gute kommen. Zudem darf unterlassene Instandhaltung nicht belohnt werden.
- Die vorgeschlagene flankierende Mietenpflege – für Objekte, in denen eine Mietsenkung durch Zinssenkung nicht möglich ist – begrüßen wir im Grundsatz, weil durch einen endgültigen Verzicht auf die regelmäßige Anhebung der AD-Bedienung damit die dadurch verursachte Mieterhöhung vermieden wird. Eine Kappungsgrenze von 6,00 € pro m² lehnen wir allerdings ab und verweisen auf die Richtwerte des Mietenkonzepts (5,70 € pro m² als Obergrenze), eine Differenzierung nach Baualter bzw. Ausstattung sollte damit noch vorgenommen werden.
- Es muss zudem sichergestellt werden, dass eine Aussetzung der turnusmäßigen Anhebung der Tilgung der Aufwendungsdarlehen (jährlich zum April um rd. 0,13 € pro m²) nicht später nachgeholt wird. Hier schlagen wir vor, dass Berlin auf diese Anhebung generell verzichtet und die dadurch längere Rückzahlungszeit für eine entsprechende Verlängerung der Bindungsfristen genutzt wird.
- Die von der Expertenrunde vorgeschlagene Stärkung der Mieterrechte im Sozialen Wohnungsbau unterstützen wir in weiten Die Benachteiligungen von Sozialmieter/innen gegenüber Mieter/innen in freifinanzierten Wohnungen müssen abgebaut werden. Auf der Basis des bisher Bekannten fordern wir jedoch nachdrücklich drei Änderungen des Vorhabens ein:
- Bei den Betriebskosten plädieren wir für die Streichung des Umlageausfallwagnisses, jedoch gegen einen Systemwechsel hin zum BGB. Derzeit bestehende Mieterschutzrechte im Sozialen Wohnungsbau dürfen nicht abgebaut werden, gerade weil die derzeitigen Widerspruchsfristen zu Betriebskostenabrechnungen eine wichtige Möglichkeit darstellen, gegen einen zentralen Preistreiber im Sozialen Wohnungsbau – und massiven Verdrängungsfaktor – vorzugehen.
- Die von uns seit langem erhobene Forderung nach Anpassung des Einfrierungsgrundsatzes darf bei der jetzt anstehenden Gesetzesänderung nicht wieder ausgeklammert werden. Der Einfrierungsgrundsatz muss endlich zu Gunsten von Mieter/innen und der Allgemeinheit und nicht länger im Sinne von Immobilienbesitzern ausgelegt werden. Das überfällige Verbot fiktiver Kosten muss schnellstmöglich gesetzlich verankert werden.
- Außerdem muss die Regelung, die einen vorfristigen Ausstieg aus dem Sozialen Wohnungsbau bei den verbliebenen 20.700 Wohnungen ohne Anschlussförderung ermöglicht (§ 5 Wohnraumgesetz) zügig abgeschafft werden. Es kann nicht sein, dass Berlin tausende Mietpreis- und Belegungsrechte ohne Gegenleistung aufgibt, während der Senat mit der Schaffung neuer Bindungen unter Einsatz neuer Haushaltsmittel nicht hinterher kommt.
- Das Sofortprogramm, um die Höhe von Erbbauzinsen landeseigener Grundstücke zu senken und deren Erhöhungen im geförderten Wohnungsbau zu stoppen, unterstützen Ergänzende Überlegungen zu Kaufangeboten finden dann unsere Zustimmung, wenn sie mit längeren Bindungsfristen versehen werden.
Weiteres Vorgehen:
Es hat sich seit der Beschlussfassung über die Entschließung am 12. November 2015 gezeigt, dass die Zeit für die Expertenrunde und die Fachkommission zu kurz ist, um fundierte Vorschläge für weitergehende Reformen und Korrekturen bzgl. des Bestands im Sozialen Wohnungsbau vorzulegen. Inwieweit die Vorschläge auch in die Zukunft, auf künftige Förderrichtlinien und die aktuell geförderten Wohnungen gerichtet sein sollen, ist ebenso umstritten wie die Forderung nach einer umfassenden Bestandsanalyse und Ursachenforschung zu den hohen Berliner Kostenmieten von gestern, heute und morgen. Dass sich Berlin diesen Fragen stellt, sehen wir als Grundvoraussetzung und Chance an, um die Kosten für alle Mieter/innen und damit auch für den Landeshaushalt niedrig halten zu können.
Damit es noch in dieser Legislatur zu ersten Ergebnissen kommt, fordern wir den Senat auf, die erforderlichen Vorlagen an das Abgeordnetenhaus unverzüglich vorzubereiten. Die Regierungskoalition muss sicherstellen, dass das Abgeordnetenhaus die notwendigen Beschlüsse noch in dieser Legislaturperiode fasst. An den Oppositionsfraktionen wird das nicht scheitern. Um die verschiedenen beteiligten Akteursgruppen bei der Weiterentwicklung der Vorschläge miteinzubeziehen, sprechen wir uns für eine kurzfristig einzuberufende (ggf. Fortsetzungs-) Sitzung der Fachkommission aus.
Die Ansiedlung von Expertenrunde und Fachkommission beim Senat hat für die Parlamentarier/innen und die unabhängigen Mitglieder der Fachkommission zu Informationsdefiziten und eingeschränkten Mitwirkungsmöglichkeiten geführt. Die Arbeit eines Expertengremiums zum Sozialen Wohnungsbau muss ihre Fortsetzung in der nächsten Wahlperiode finden. Wir schlagen eine Ansiedlung beim Parlament vor, um die derzeitigen Hemmnisse auszuräumen und außerdem Transparenz herzustellen. Hierfür erscheint uns die Einberufung einer Enquête-Kommission, die sich mit den grundlegenden Fragen des Sozialen Wohnungsbaus auseinandersetzt, besonders geeignet. Voraussetzung dafür ist das gemeinsame, fraktionsübergreifende Wollen, den Sozialen Wohnungsbau in Berlin tatsächlich zu reformieren. Wir sind dazu bereit.
Mit freundlichen Grüßen,
Katrin Schmidberger, mietenpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Katrin Lompscher, wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion
Andreas Otto, bau- und wohnungspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
Wolfram Pries, bau- und stadtentwicklungspolitischer Sprecher der Piratenfraktion
Berliner Mieterverein
Mietergemeinschaft Kotti & Co.
mieterstadt.de – Netzwerk für soziales Wohnen und bürgernahe
Stadtentwicklung e.V.
Mieterprotest Koloniestraße
[…] zurückzahlt und zudem von den günstigen Zinsen des derzeitigen Kapitalmarktes profitiert. Der Senat sieht zu, und kommt in seinem derzeitigen Expertengremium zu dem hilflosen Schluss, den Eigentümer*Innen […]
[…] zurückzahlt und zudem von den günstigen Zinsen des derzeitigen Kapitalmarktes profitiert. Der Senat sieht zu, und kommt in seinem derzeitigen Expertengremium zu dem hilflosen Schluss, den Eigentümer*Innen […]