Seit die „Rheinische Post“ die Aussagen von Bundesbauminister Ramsauer über die vermeintliche Zweckentfremdung von Bundesgeldern für sozialen Wohnungsbau veröffentlichte, ist das Thema Sozialer Wohnungsbau wieder in der Öffentlichkeit. Wieder einmal geht es in der Debatte geführt von Berliner Mietergemeinschaft bis Wirtschaftsforen nicht um die MieterInnen in den bestehenden Sozialwohnungen, sondern lediglich um die Modalitäten für den Neubau.
Dass nun ausgerechnet die FDP „Wohnungen für sozial Schwache und Studierende“ fordert, muss hellhörig machen. Allerdings geht es hinter der Fassade der Sorge um die geringverdienenden Teile der Gesellschaft wohl eher um Neubau, also um ein Wirtschaftsinteresse, das sich die Wohnungsnot zunutze macht. Die Wirtschaft stimmt verständlicherweise mit ein und hofft auf Fördergelder für die Bau- und Wohnungswirtschaft. In der Vergangenheit gibt es da in Berlin schlechte Erfahrungen, mit hohen Abschreibungsgewinnen. Das Land Berlin hat hier nie einen konsequenten Schlussstrich gezogen und den Fonds und Anlegern ein tatsächliches Ende ihrer Gewinne bereitet. Die „alten Verpflichtungen“, die es zahlt, kommen jedoch den MieterInnen zugute, da das Land die Differenz zur Kostenmiete teilweise übernimmt. Eine Gesetzesänderung zu einer festgelegten Richtsatzmiete, wie sie etwa der Berliner Mieterverein fordert, könnte hier Abhilfe schaffen und würde die Westberlin-Gewinnler dazu bringen, ihre Schulden selbst zu bezahlen, statt noch immer Rendite aus Sozialwohnungen zu erwarten. Von allen Zeitungen schreibt einzig das Neue Deutschland hier von einem „Vermietersubventionsprogramm“. Aber auch hier wird leider nur der Neubau gefordert, statt einen Blick auf die Lage der BestandsmieterInnen zu werfen.
Die derzeitige Initiative von Herrn Ramsauer hat nicht die Mieter der Sozialwohnungen im Sinn, sondern will die Bundesverantwortung leugnen und die Bauwirtschaft fördern. Das darf in der Debatte nicht vergessen werden. Neubau schafft nicht automatisch bezahlbare Mieten. Dass Berlin auch in die bestehenden Sozialwohnungen investiert, ist dann richtig, wenn es den Mieterinnen und Mietern und damit dem Land Berlin zugute kommt. Denn der Bestand an Sozialwohnungen kann ein weiterer Garant gegen die Verdrängung sein, wenn sie in den Händen des Landes liegen. Überläßt man diese dem Markt, wird nur die Verelendung großer Teile der Gesellschaft gefördert, die ihr immer geringeres Einkommens für die Miete bezahlen und dafür im wahrsten Sinne des Wortes am Essen sparen müssen.
Eine Investition in die bestehenden Sozialwohnungen – so z.B. die Rekommunalisierung der Bestände, wie wir sie fordern – ist daher mehr als notwendig, denn nur so lassen sich Mieten unter 5,-€/qm erzielen, was überhaupt nur dem derzeitigen Transferleistungssatz nahe kommt. Der Neubau kann nur ein ergänzendes Mittel sein, um diejenigen aufzufangen, die durch den uneingeschränkten Marktboom verdrängt werden, preiswerter für das Land Berlin ist jedoch der Ankauf im Bestand der bereits geförderten Sozialwohnungen. Hier hat das Land durch die Förderbeziehungen zu den Eigentümern eine gute Ausgangslage.
Wenn jetzt die Wirtschaft von „Missbrauch“ und „Zweckentfremdung“ redet, dann werden scharfe Geschütze aufgefahren, um weitere Wirtschaftsförderung zu erreichen. Fordern sollte man, dass das Land Berlin die bestehenden Sozialwohnungen nicht aus dem Auge verliert. Dies sollte jedoch mit Voraussicht geschehen und vor allem dem langfristigen Erhalt bezahlbaren Wohnraums gewidmet sein und nicht der Angst vor dem Brechen alter Versprechen an die Immobilienbranche.
Das Problem in Berlin mit dem Mangel an Sozialwohnungen besteht vor allem darin, dass die vorhandenen und mit Fördermitteln erbauten Sozialwohnungen für die darin wohnenden MieterInnen zu teuer werden und diese aus Sozialwohnungen verdrängt werden. Hier muss ein radikaler Schnitt gemacht werden, um diese Wohnungen zu erhalten und nicht zur Wohnungsnot beizutragen.
Die derzeitig geplante Neubauförderung, die auch die Schaffung von Eigentumswohnungen mit einschließt, können wir nicht gutheißen. Alle Rekommunalisierungsbestrebungen, die die Versorgungsaufgabe des Staates erfüllen, wie kürzlich die Rekommunalisierung der Wasserbetriebe begrüßen wir dagegen sehr. Im Wohnungssektor besteht erheblicher Nachholbedarf.
Momentan werden die Mieten in den rund 144.000 mit Fördermitteln erbauten Berliner Sozialwohnungen jährlich sogar erhöht. Um genau 0,13€ pro Quadratmeter. Das kommt durch die sich jährlich erhöhenden Zahlungsforderungen des Landes Berlin zustande, das den Vermietern seit den 1970ern großzügige Darlehen für übertrieben hohe Baukosten gewährt hat. Diese Darlehen fordert das Land nun zurück und erhöht diese Forderung sogar jährlich. Das Geld aus diesen Rückzahlungen fließt nicht in den Erhalt der Sozialwohnungen, sondern in die Finanzierung neuer Bauvorhaben, in denen Mieten nicht unter 7,-€/Quadratmeter zu erreichen sind. Das ist nicht sozial.
Die Jobcenter zahlen momentan nur rund 4,91€/Quadratmeter für die Miete. Selbst in den bestehenden Sozialwohnungen liegen die Mieten (z.B. am Kottbusser Tor) bei durchschnittlich 6,-/Quadratmeter kalt. Dazu kommen Betriebskosten von bis zu 5,-€/qm (bei der GSW). Viele Menschen zahlen aus ihren geringen Einkommen und Regelsätzen der Transferleistungen noch zur Miete dazu und haben ca. 200,-€ für das Leben. Viele sinken trotz Arbeit unter das Hartz IV-Niveau wegen der hohen Mieten in den Sozialwohnungen.
Jeden Tag vollbringen die Eltern und RentnerInnen wahre Heldentaten, um sich und ihren Familien noch ein Leben in Würde zu gewährleisten. Wir Heldinnen und Helden des Alltags haben uns am Kottbusser Tor zu einer Initiative zusammengeschlossen, um für den Erhalt der Sozialwohnungen zu streiten.
Wir haben Vorschläge gemacht und Konzepte erarbeitet, wie die Wohnungen rekommunalisiert werden können, denn ein großer Teil ist in den Händen privater Vermieter. Noch nicht einmal eine Studie zur Zukunft der Sozialwohnungen in der Innenstadt möchte die Berliner Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Auftrag geben. Statt dessen bezahlt sie 50.000€ zur Eruierung des Neubau-Potentials in Spandau. Das liegt am äußersten Berliner Rand, fern von allen Netzwerken und Kiezen, die hier über Generationen aufgebaut wurden. Soll da die Reise hingehen, Herr Senator Müller?
Wir sehen mit wachsendem Unbehagen, dass diese Landesregierung den riesigen Bestand an Sozialwohnungen und mit ihm die Mieter und Mieterinnen dem Markt in den Rachen wirft. Die neueste Debatte hat jedoch nicht den Schutz der MieterInnen zum Ziel, sondern das für die Rekommunalisierung der Sozialwohnungen dringend benötigte Geld in teure Neubauprojekte zu stecken.
Wir demonstrieren weiterhin jeden Tag vor unseren Sozialwohnungen dafür, uns nicht unseren Wohnort nehmen zu lassen.
Kotti & Co im August 2013