Die Innensenatorin Iris Spranger will eine neue Polizeiwache. Direkt über der Adalbertstraße, in den ehemaligen Räumen eines Wettbüros und direkt neben dem Café Kotti. Sie sagt, dass sie „die Situation vor Ort sehr gut kennt“ und „bisher nur positiven Zuspruch für das Vorhaben“ bekommen hat.
Wir kennen Iris Spranger noch als wohnungspolitische Sprecherin der SPD. 2021 hat sie bei einem Hearing des Initiativenforums alle Vorschläge für mehr Mieter:innenmitbestimmung abgelehnt. Nun sagt sie, dass sie nicht einfach nur mehr Polizei in den „Kriminalitätsschwerpunkt“, wie sie den Kotti nennt, schicken will. Stattdessen würde sie ein „ganzheitliches Konzept“ verfolgen. Unsere Forderungen nach mehr Mitbestimmung sind das ganzheitliche Konzept. Seit vielen Jahren versuchen wir, der Politik die Komplexität des Platzes begreiflich zu machen. Bei der SPD gelingt uns das offensichtlich nicht.
Was wollen die Anwohner:innen?
Spranger meint, dass die Anwohner:innen mehr Polizei und die geplante Polizeiwache wollen. Zum Glück müssen wir uns hier nicht auf ein Bauchgefühl verlassen – es gibt nämlich eine Studie der Humboldt-Universität dazu, die 2021 veröffentlicht wurde.
Die Mehrheit der Befragten findet, dass der Kotti genauso sicher ist wie andere Kieze Berlins. Es gibt Anwohner:innen, die sich unsicher fühlen, vor allem im U-Bahnhof und vor allem Eltern. Dabei geht es an erster Stelle aber nicht um Kriminalität. Es geht um Autoverkehr, Müll und Besoffene. Es geht um schlechte Beleuchtung und Dreck, um Rassismus und sexuelle Belästigung. Drogenhandel und -nutzung ist aber ebenfalls ein Thema.
Was macht die Polizei am Kotti?
Je zu einem Drittel finden die Anwohner:innen, dass die Polizei gut, mittel und schlecht auf die Probleme im Kiez reagiert. 37% wollen mehr Polizei, aber 46% nicht. Weniger als ein Drittel finden, dass der Polizei die Probleme der Anwohner:innen wichtig sind. Warum denkt Spranger dann, dass eine zusätzliche Polizeiwache im NKZ das ist, was die Anwohner:innen wollen?
Aus unserer Erfahrung mit unseren Lärmdemos und Gesprächen untereinander wissen wir, wie viel Angst es am Kotti vor der Polizei gibt. Dass man kontrolliert und ausgefragt wird, dass rassistische Sprüche fallen. Diese Erfahrungen sind bei denen am größten, die nicht viel deutsch sprechen. Unwahrscheinlich, dass Spranger mit ihnen geredet hat.
Was machen wir am Kotti?
Der Kotti ist, trotz seinen Problemen, keinesfalls eine „No-Go-Area, in der niemand mehr Vertrauen zueinander hat“. Die große Mehrheit der Anwohner:innen erwartet, dass Passant:innen Hilfe anbieten wenn jemand sie braucht. Bei Bedrohungen oder Einbrüchen ist die erste Reaktion der Nachbar:innen auf einander zuzugehen, was einen starken sozialen Zusammenhang zeigt.
Der Kotti ist kein Ponyhof. Wir haben immer wieder darauf hingewiesen, dass es ein komplizierter, auch anstrengender, aber auch wunderbarer Ort ist, der vor allem für uns zuhause bedeutet. Von außen gibt es oft verzerrte Vorstellungen davon, was die Probleme am Kotti eigentlich sind und wie man sie beheben kann. Darum gibt es das Modellprojekt Kottbusser Tor und darum fordern wir seit vielen Jahren, dass die Mieter:innen hier über ihre Häuser, aber auch insgesamt um das Wohnumfeld mitentscheiden können. Wir wollen Unterstützung dabei, die Selbstheilungskräfte, die wir alle am Kotti miteinander entwickeln, zu stärken. Was wir nicht wollen sind zusätzliche Probleme durch noch mehr Polizei, die in den Kotti integriert werden muss.